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Nordfriesen im Museum?

Allgemeine Übersicht der Museumslandschaft an der Westküste

In der historischen Entwicklung Nordfriesland sind uns sichtbare (z. B. typische Bauformen) und weniger sichtbare (z. B. Sprache) kulturelle Eigentümlichkeiten und Traditionen überliefert worden. Und diese sind, wie überall, der allgemeinen gesellschaftlichen Modernisierung ausgesetzt gewesen. Vieles an alter Substanz ist dadurch unwiederbringlich zerstört worden. Ein Umdenken hat inzwischen stattgefunden und man versucht, dem allmählichen Zerstörungsprozeß Einhalt zu gebieten. Überhaupt ist das Interesse an Geschichte, Vergangenheit, an allem Alten, symptomatisch für unsere Zeit. Doch immer noch müssen Menschen, die die noch erhaltenen Reste bewahren wollen, gegen Ignoranz, Dummheit und Interessenklüngelei ankämpfen.

In Museen kann sinnvollerweise nur das dargestellt und ausgestellt werden, was dem Auge einen besonderen Anreiz bietet. Es bereitet aber Schwierigkeiten, Unsichtbares wie z. B. die friesische Sprache, museal darzustellen, denn Sprache ist nur im sozialen Zusammenhang zu fassen und weiterzugeben. Weil die friesische Sprache nun einmal nicht in ein Museum gesteckt werden kann, müssen zur "musealen" Erhaltung die Lebens- und Arbeitsbedingungen der friesischen Sprecher gesichert und verbessert werden. So verstanden trägt "Musealisierung" durchaus zur positiven Entwicklung in Nordfriesland bei. Oft wird mit einer falsch verstandenen Musealisierung das Gegenteil erreicht, z. B. wenn friesische Gebrauchsgegenstände, gar ganze Häuser aus der Landschaft verschwinden oder in zentrale Museen geschafft werden. Derselbe Effekt entsteht, wenn friesi-sche Trachten um eines fragwürdigen Tourismus willen verfälscht oder Pseudo-Friesenhäuser an die Stelle der alten abgebrochenen Häuser aufgesetzt werden.

Gerade dem Fremdenverkehr wird in Nordfriesland ein hoher Steilenwert eingeräumt. Er beschränkte sich als Massentourismus und ausgedehntem Bade- und Nachtleben bisher überwiegend auf Sylt, Amrum, Föhr und St. Peter-Ording. Die Ansprüche der Urlauber sind aber im Vergleich zu früher gestiegen. Auch ist ein Wechsel vom Lang- zum Kurzzeiturlaub zu beobachten und die Urlaubssaison beschränkt sich nicht mehr auf die doch recht kurze Sommersaison. Es muß im Urlaub noch etwas anderes geboten werden als nur Sonnenfreuden am Strand. Sind die Sommer recht kalt, stürmisch und verregnet, interessieren sich die Gäste - wenn sie nicht ganz wegbleiben oder vorzeitig abreisen - durchaus für Natur, Landschaft und Kultur in Nordfriesland. Dafür zeugen allein schon die vielen heimatkundlichen Bücher, die in großer Anzahl in den Badeorten zu finden sind.

Inzwischen ist in der Öffentlichkeit, vor allem über Film und im Fernsehen, ein Bild von Nordfriesland entstanden, das eher klischeehaft ist und nicht der Wirklichkeit entspricht, z. B, der unverwüstliche Shantychor mit den Finkenwerder Fischerhemden oder Klaus und Klaus' Hit "Nordseeküste", das eigentlich ein auf volkstümlich getrimmtes irisches Sauflied ist. Wenn erst einmal eine falsche Ansicht entstanden ist, ist es schwer und ohne Zweifel ein mühsamer Weg, dem Besucher das wirklichkeitsgerechtere Nordfriesland in seiner ganzen Vielfalt zu präsentieren. Zu den Einrichtungen, die das falsche klischeehafte Bild korrigieren könnten, zumindest was die Vergangenheit (aber auch Gegenwart und Zukunft) angeht, gehören die Museen in Nordfriesland.

Die Zahl der Museumsgründungen und Museumsinitiativen in den letzten Jahrzehnten ist beeindruckend und in den Magazinen der Museen befinden sich noch manche unvermutete, verborgene Schätze, die auf ein bildungshungriges Publikum geradezu warten. Worauf ist dieser Boom zurückzuführen? Ist es der ureigene Spieltrieb oder Neugierde, sich als Erwachsener in eine Zeit zurückzuversetzen und unbedarft Dinge zu bestaunen, die seine Kinder- und Jugendzeit wesentlich beeinflußten? Selbst der Wissenschaftler, der doch der objektiven Forschung verpflichtet sein müßte, ist nicht frei von der kindlichen Faszination, wie ja überhaupt wissen-schaftliche Forschung durch Neugierde und Experimentierfreude geprägt ist.

Und doch muß vor der Musealisierung Nordfrieslands gewarnt werden, besonders wenn diese kaum der friesischen Wirklichkeit entspricht. Wir sind auf dem besten Wege zum riesigen Museum, in dem friesische Einwohner als Museumsobjekte einem staunenden Besucherpublikum aus den Großstädten präsentiert werden. Es sollte nicht alles der Musealisierung untergeordnet und so das normale Leben der nordfriesischen Bewohner beeinflußt werden. Sonst kommt dem unvoreingenommenen Betrachter die ausgestellte Natur und Kultur dieser Museumslandschaft allzu bizarr, unwirklich und übertrieben vor. Skepsis ist anzumelden, wenn ganze Orte wie der Ort Unewatt in Angeln, der nun als Museumsdorf oder Landschaftsmuseum ein Eigenleben führt. Sind die Bewohner in einem solchen Dorf sich eigentlich klar darüber, was es heißt, dort zu wohnen? Möchten sie wirklich tagtäglich, wie schon auf den Halligen, nach Jahren noch von Touristen begafft und angestaunt werden?

Museen stellen sich immer als etwas Künstliches dar, auch wenn mit noch so perfekten Mitteln versucht wird, die Vergangenheit wirklichkeitsgerecht lebendig werden zu lassen. Jede Darstellung historischer Gegebenheiten stellt einen Eingriff in diese dar und läßt auch die ursprüngliche Sicht nicht unangetastet. Es entsteht ein Bild, das mit dem damaligen wirklichen Geschehen nicht unbedingt identisch sein muß. Die Vergangenheit wird gerne idealisiert, oft verklärt. Aufgezeichnet oder aufbewahrt wurde oder wird immer nur das, was als interessant erscheint oder erschienen ist. Wenn wir wissen wollen, wie es wirklich in der Vergangenheit war, können wir nur mit dem Mittel der Verfremdung arbeiten, d. h. wir stellen aus der Gegenwart heraus Fragen an die Vergangenheit. Im Museum muß der Bruch, der die Gegenwart von der Vergangenheit trennt, deutlich werden und sichtbar dargestellt werden.

Gefragt ist nicht das traditionelle, konservierende Museum, gefragt ist das lebendige Museum, das mit der herkömmlichen Präsentation der Ausstellungsobjekte bricht und seine Attraktivität erhöht. Im lebendigen Museum wird der Besucher aktiv und kreativ in das Ausstellungsgeschehen mit einbezogen. Er kann sich alte Handwerkstechniken ausprobieren oder sich wiederbelebte alte Volksbräuche vorführen lassen. Zielgruppen wie bspw. Schulklassen erhalten die Möglichkeit, an einzelnen Projekten mitarbeiten. Ältere Menschen, die aus den Berufsleben heraus sind, können zu bestimmten Aktivitäten animiert werden und darüberhinaus erhalten sie hier die Gelegenheit, ihre alten schon fast vergessenen Handwerkstechniken zum neuen Leben zu erwecken. Es ist auch überhaupt nicht notwendig, die die vielen musealen Gegenstände im Museum selbst zu betrachten. Man kann aus den Museen herausgehen, d. h. ehemalige, historisch interessante, aber längst verlassene Gebäude oder Produktionsstätten vor Ort aufzusuchen oder diese sich während des Stadtrundgangs erläutern zu lassen.

Museen müssen mehr sein als Museen, sie müssen Kommunikationszentren, müssen Begegnungsstätten für jung und alt sein. In Amerika gibt es z. B. eine traditionsreiche Museumskultur, die, hauptsächlich getragen von privaten Stiftungen, in der Gunst ums Publikum sogar in Wettbewerb untereinander stehen. Museen werden in den Staaten gerne mit demokratischen Klubs verglichen, sie sind dort Treffpunkte, in denen neben klassischen Museumspräsentationen auch Vortrags- und Musikabende veranstaltet werden. Lange, bis weit in die Abendstunden reichende Öffnungszeiten mit einem ansprechenden Restaurantbetrieb sind natürlich und selbstverständlich.

Die Museumslandschaft Nordfriesland zeigt ein vielfältiges Spektrum mit sehr unterschiedlichen Museumskonzepten und -typen auf. Wird der Nationalpark Wattenmeer dazugerechnet, dann könnte tatsächlich der Eindruck entstehen, in Nordfriesland entstünde ein riesiger Museumspark. Zum Glück sieht es jedoch nur im Sommer so aus und wenn Museen mit Hilfe der Touristen Geld verdienen möchten, sollte nicht vergessen werden, daß Museen eher einen kulturellen, also zwecklosen Auftrag haben. Dem kann aber nicht entsprochen werden, wenn aus Gründen der Finanzknappheit der Öffentlichen Hand ausgerechnet am Kulturhaushalt gespart und die Kulturarbeit lieber dem freien Markt überlassen wird. Das bedeutet nicht unbedingt weniger Qualität, aber es beschränkt sich doch auf das Spektakuläre und Gängige. Das kleine, feine, weniger Auffällige würde auf der Strecke bleiben. Für kleine, engagierte und ungewöhnliche Museen wäre dann kein Platz mehr im großen Museum Nordfriesland.

Hans-Jürgen Hansen

Erstellt Juni 1993


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