Moderne Gesellschaften

Gegenüber den Modernisierungstheorien der 1950er Jahre, die einen "weltweit sich durchsetzenden, quasi eindimensionalen Prozeß politischer, kultureller und wirtschaftlicher Modernisierung" unterstellen, dem "alle Gesellschaften unterworfen sind", wurden nach dem Scheitern der von ihnen angeleiteten Entwicklungsstrategien in den 1960er Jahren jene Dependenztheorien formuliert, die von der bleibenden Trennung der entwickelten und unterentwickelten Länder auf der Welt ausgehen. [ 1 ] Inzwischen machen sich jedoch weltweit politische und wirtschaftliche Differenzierungsprozesse bemerkbar, die gleichermaßen die Theorierichtungen zwingen, ihre Ansätze zu modifizieren und jüngste Weltentwicklungen mit zu berücksichtigen.

Das zeigt sich zunächst an den internationalen Märkten mit der Neubewertung von Rohstoffen. Für durchschlagende Verwirrung stiftete beispielsweise die Kartell-Preis-Politik der sogenannten OPEC-Länder für Rohöl. Zum anderen sind die Industrialisierungsprozesse in den Schwellenländern der Dritten Welt zu nennen, die allerdings, ohne daß Öleinnahmen zur Verfügung stehen, zur hohen Verschuldung dieser Länder führten. Die Folge war wachsende Verelendung und eine weitere Polarisierung zwischen reicheren Dritte-Welt-Nationen und ärmeren Peripherie-Ländern. [ 2 ] In den neuen regionalen Machtzentren, vor allem in den Ländern, die sich auf eigene kulturelle und religiöse Traditionen stützen, wie z. B. im Iran, läßt zudem die Anziehungskraft westlicher Einflüsse nach. [ 3 ]

Statt weiterhin von einem Interessengegensatz Erster und Dritter Welt auszugehen, werden möglicherweise die Interessengegensätze innerhalb der Dritten Welt zunehmen. Der Gegensatz verlagert sich von einer vertikalen auf eine horizontale Ebene. Es stehen sich dann OPEC-Länder und Nicht-OPEC-Länder gegenüber oder sie führen sogar untereinander Krieg wie z. B. zwischen Iran und Irak [ 4 ]. Es ist nicht zu verkennen, daß in einigen Ländern der Dritten Welt es zu beschleunigter Industrialisierung gekommen ist. Die Kritik oder die kontroverse Beurteilung dieser Entwicklung entzündet sich vor allem daran, daß eine entsprechende politische Entwicklung im Sinne der Verbesserung von Lebensbedingungen für die Masse der Bevölkerung nur kaum und wenn, nicht überall in gleichem Ausmaße erfolgt. [ 5 ]

Im Rahmen internationaler Organisationen ist die Kontrolle der Länder der Dritten Welt durch die Großmächte immer geringer geworden, soweit nicht Veto-Rechte, im UN-Sicherheitsrat z. B., oder das Quotensystem des Internationalen Währungsfonds (IMF) das Prinzip "ein Land, eine Stimme" außer Kraft setzten. Im Jahre 1982 ließen sich von den auf 154 angewachsenen Mitgliedsstaaten der UNO immerhin 117 der Dritten Welt zuordnen. [ 6 ] Direkte Interventionen der Großmächte außerhalb ihrer Bündnisbereiche erfolgten zwar immer seltener, und wo doch, waren diese wenig erfolgreich. Der Ausbruch und der Verlauf des Iran-Irak-Krieges war keinem der beiden Großmächte - USA und UdSSR - gelegen gekommen. [ 7 ]

Vielleicht läßt sich daraus schlußfolgern, daß sich die Supermächte gegenseitig bei lokalen Konflikten ihre Handlungsfähigkeit "unter dem Dach des atomaren Patts" blockierten. Damit ist der Handlungsspielraum einiger außerhalb der Blöcke stehenden Mittelmächte gewachsen. Es wäre wahrscheinlich, daß sich deshalb neue Zentren bildeten, die dann über eigene politische, militärische und ideologische Potentiale verfügten. [ 8 ]

Die als moderne Entwicklung sich herausbildende Weltgesellschaft widersteht in den Sozialwissenschaften bisher hartnäckig allen Erklärungsversuchen. Vielleicht wäre es sinnvoll, wie Klaus Jürgen Gantzel meint, die Weltgesellschaft in herrschaftssoziologische Begriffe aufzuschlüsseln. Die bisherige Betrachtungsweise, die die Weltgesellschaft als ein System internationaler Beziehungen und zwischenstaatlichen Verkehrs mit allen machtpolitischen, diplomatischen und militärischen Dimensionen anzusehen, reicht dafür nicht aus. Es bedarf eines weitergehenden politökonomischen Bezugrahmens. [ 9 ]

Hinsichtlich der historischen Entstehung der Weltgesellschaft lassen sich dennoch drei zueinander zugehörige Aspekte begrifflich aufzeigen. Erstens entfaltete sich die heutige Struktur der Welt in einem säkularen historischen Prozeß, der in Europa ab der Entdeckung Amerikas Ende des 15. Jahrhunderts und der Reformation Anfang des 16. Jahrhunderts seinen Ausgang nahm. Die führende ökonomische, technologische und politische Machtstellung der kapitalistischen Industriegesellschaften ist ohne die langanhaltende Ausbeutung der übrigen Welt nicht erklärbar. [ 10 ] Zweitens ist die Weltgesellschaft hierarchisch gegliedert. Das inter-national agierende Kapital, das nationale Unterschiede auszunutzen versteht, zeigte gegenüber der großen Masse der Lohnarbeiter, Kleinbauer usw. weiterhin seinen Klassencharakter. Die Klassen sind zudem nicht nur nationalstaatlich sondern auch ethnisch voneinander getrennt. Die vertikale internationale Arbeitsteilung innerhalb der Weltgesellschaft bewirkte diese Ungleichheiten. [ 11 ] Drittens entstanden innerhalb der Weltgesellschaft einseitige Abhängigkeiten. Den weniger entwickelten Ländern der Dritten Welt und zum Teil auch den der sozialistischen stehen die voll entwickelten westlichen Industriegesellschaften gegenüber. [ 12 ]

Der dynamische Prozeß der modernen Entwicklung führte im nationalstaatlichen Rahmen auf der einen Seite zur Ausbildung von "Verflechtungs- und Agglomerationsräumen", auf der anderen Seite zu "Entleerungsräumen" oder zu "strukturschwachen" Entwicklungsräumen. Der Verstädterungsprozeß verstärkte den Stadt-Land-Gegensatz. Interessant dabei ist, daß sich der Gegensatz überentwickelter und unterentwickelter Gebiete im Weltmaßstab innerhalb der entwickelten Gesellschaften noch einmal abbildet. [ 13 ]

In neueren sozialwissenschaftlichen Theorien geht vor allem die vom Strukturalismus beeinflußte Systemtheorie davon aus, daß die die Welt gestaltende Geschichte theoriefähig ist. Die Gegenstände, symbolische Gebilde oder Informationen der Geschichtswelt werden nach Regeln der Evolution erzeugt. [ 14 ] Die den biologischen Evolutionstheorien entlehnten Begriffe "Integration" und "Differenzierung" lassen sich, systemtheoretisch gedeutet, auf die Entwicklung menschlicher Gesellschaften übertragen. Niklas Luhmann sieht die Evolution menschlicher Gesellschaften als einen "Prozeß zunehmender und korrespondierender Integration" [ 15 ] an. Er stützt seine These auf den faktisch historischen Vorgang der "Umstrukturierung menschlicher Gesellschaften von segmentärer auf funktionaler Differenzierung". [ 16 ]

Wird allerdings der auf traditionelle Gesellschaften einwirkende Mechanismus auf eine Weltgesellschaft übertragen, so bedarf es zur Erklärung effektiv wirkender Integrationsmechanismen eines hohen Abstraktionsniveaus. Erschwerend kommt hinzu, daß die für die Weltgesellschaft postulierten und zu ihrer Integration beitragenden universellen Werte und Normen in der empirischen Wirklichkeit kaum zu finden sind. [ 17 ] Es scheint sich jedoch ein weltweit orientierter Interaktionsbereich zu konstituieren, der von einem kognitiven Erwartungsstil dominiert wird, welcher sich an reziproke Tauschhandlungen orientiert. [ 18 ] Für Luhmann "ist eine auf Weltfrieden beruhende durchgehende Verkehrszivilisation entstanden, in der sich ein urban erzogener Mensch gleich welcher Provenienz zurechtfindet". [ 19 ] Diese Tatsache sieht er zwar als völlig neues Phänomen der Evolution an, vermißt aber weiterhin als gravierenden Mangel eine welteinheitliche Moral, Rechtsbildung und Politik. [ 20 ]

Weil sich die Konsequenzen für eine Weltgesellschaft nur abstrakt ziehen lassen, müssen faktische und moralische Antworten auf weltgesellschaftliche Probleme utopisch bleiben. Abstrahieren heißt ja, von allen Unterschieden der Länder und Völker, der Kulturen und Herrschaftsformen abzusehen und nur auf das abzustellen, worin alle Menschen gleich sind. Diese letztabstrakte Gleichheit ließe sich als gemeinsame Angelegenheit ebenso konstituieren wie ein Interesse an Recht und Frieden. [ 21 ] Zwar ist diese Problematik schon im Selbstverständnis der bürgerlichen Gesellschaftsauffassung begründet, in der funktional Staat und Gesellschaft getrennt sind. Die gleichfalls in ihr verkörperten allgemeinen Prinzipien der Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit dürfen aber deshalb den partikularen nationalstaatlichen Rahmen nicht verlassen.

Als evolutionär neuartiges Phänomen vermag Luhmann mit vorhandenen Denkmitteln die Erfolgsaussicht einer systemtheoretisch gefaßten Weltgesellschaft nicht abzuschätzen. Weltgesellschaft einfach als "internationales" System zu definieren sieht er als problematisch an, da hier doch stillschweigend ein Primat der Politik unterstellt wird. [ 22 ] Auf der Ebene politisch konstituierter Regionalgesellschaften oder Nationalstaaten entstand mit Hilfe normativer und rechtlicher Mechanismen ein recht verläßliches System. Es wurde auf dieser Ebene eine "evolutionär unwahrscheinliche Hochleistung" stabilisiert und erwartbar gemacht. War diese eigentümliche Kombination von Politik und Recht in ihrer Leistungsfähigkeit eventuell eine Fehlspezialisierung der Menschheitsentwicklung? Nach Ansicht Luhmanns läßt sich die für Nationalstaaten geltende eigentümliche Kombination von Politik und Recht - zumindest vorläufig - nicht auf das System der Weltgesellschaft übertragen. [ 23 ]

Kritisch eingestellte Sozialwissenschaftler wie Jürgen Habermas bemängeln an den strukturfunktionalistischen Systemtheorien unter anderem, daß sprach- und handlungsfähige Subjekte in ihnen eine nur untergeordnete Rolle spielen und dabei die Identitätsprobleme der Moderne "schlicht unter den Tisch" fallen würden. [ 24 ] Das historische Bewußtsein werde zugunsten der Selbstobjektivierung stillgestellt. Antizipierte Zukünfte determinierten eine erinnerungslose Gegenwart. Die Aufrechterhaltung eines Gesellschaftssystems sei aber nicht möglich, wenn nicht auch die Erhaltungsbedingungen der Systemmitglieder erfüllt würden. Die hinreichende Systemintegration könne nicht das erforderliche Maß an Sozialintegration ersetzen. Auch wenn die mögliche Weltgesellschaft ihre Steuerungskapazitäten noch so sehr erhöhte, geschähe dies "nur um den Preis der humanen Substanz", müßte "jeder weitere Schub die Selbstzerstörung der vergesellschafteten Individuen und ihrer Lebenswelt bedeuten". [ 25 ]

Fast alle namhaften Modernisierungstheorien beziehen sich auf Max Weber, der mit "einmaliger Klarheit" die Elemente herausarbeitete, die "eine moderne von einer traditionellen Gesellschaft" unterscheidet. [ 26 ] Das sich herausbildende "Subsystem zweckrationalen Handelns" bewirke den Verfall der verwandtschaftlichen Solidarität, Zunahme der Adaptibilität gesellschaftlicher Innovationen, innerweltlicher Askese, Rationalisierung des Alltagslebens, wachsende Funktionalität zwischenmenschlicher Beziehungen, Arbeit als immanenten Wert usw. Dem entspräche im staatlichen Kontext die rational orientierte Bürokratie, Konzentration der Verwaltungsinstrumente, Rationalisierung des Privatrechtsverkehrs, Berechenbarkeit der staatlichen Entscheidungsinstanzen usw. [ 27 ]

Die meisten Modernisierungstheoretiker untersuchten nur Teilbereiche des umfassenden Modernisierungsprozesses. Diverse Aspekte des säkularen Entfaltungsprozesses der instrumentellen Vernunft wurden beschrieben und analysiert. Beschränken sich diese aber auf die instrumentelle Rationalität, dann koexistiert eine "reibungslose Naturbeherrschung und die dazu notwendige, stetig zunehmende Rationalität der Mittel" mit einer "ungeminderten oder womöglich anwachsenden Irrationalität der Zwecke". Weber brach seine kritische Analyse deshalb dort ab, wo er eine "objektive Irrationalität" des "subjektiven Rationalisierungsprozesses" vermutete. [ 28 ]

Die Evolution geschichtlicher Entwicklungen folgte selten den Intentionen menschlicher Konstruktion. Im Fall der Aufklärung irrte der Mensch insofern, als er ein zwar "denkendes, aber keinesfalls ein vorwiegend rationales Wesen" ist. [ 29 ] Denkstrukturen werden eher durch irrationale Motivationen geprägt. [ 30 ] Ausgerechnet auf einer solchen Grundlage bilden Kapital, Technik und Wissenschaft, Wirtschaft und Wachstum eine durchsetzungsfähige Interesseneinheit. [ 31 ] Die Erfahrung der hochgradigen Differenzierung und Integration innerhalb der modernen Gesellschaft und des daraus resultierenden Gefühls der Entfremdung führt fast zwangsläufig zur wachsenden Distanz einer Wissenschaft gegenüber, die auch nur bestenfalls die uns heute undurchschaubar gewordenen Strukturen widerspiegelt. An den Pro- und Kontra-Stellungnahmen gegenüber dem Bau von Atomkraftwerken wird z. B. deutlich, daß Wissenschaftler zunehmend unfähiger geworden sind, den Politikern klare und einsehbare Entscheidungshilfen anzubieten. [ 32 ]

Es bleibt die Frage, wie die die Welt und die gesellschaftlichen Fortschritt bestimmenden Gegensätze, die sich als antagonistisch und widerstreitend und die sich als unaufhebbar und unlösbar erweisen, im Sinne Hegels miteinander versöhnt werden können. Was kann also getan werden, damit die "Menschheit als Gattung ihre Geschichte mit Willen und Bewußtsein macht?" [ 33 ] Adorno weist darauf hin, daß der Mensch, "der selber ja Natur ist", aus dem Bann des Fortschritts heraustreten muß. Die Menschen müßten sich der eigenen Naturwüchsigkeit innewerden, müßten der Herrschaft Einhalt gebieten, "die sie über Natur ausübt und durch welche die der Natur sich fortsetzt. Insofern ließe sich sagen, der Fortschritt ereigne sich dort, wo er endet". [ 34 ]

Anstelle blinder naturwüchsiger Abhängigkeiten entwickelte Kant den "Begriff der Autonomie, der Selbstverantwortung des vernünftigen Individuums". [ 35 ] Während Kant aber einen Sinn der Geschichte nur als Idee entwarf, vermeinte Marx einen verbindlichen Sinn der Geschichte in dem Maße herzustellen, wenn die Menschen sich anschickten, die Geschichte, die sie ja schon immer machten, jetzt auch mit Willen und mit Bewußtsein zu machen. [ 36 ] Geschichte ist das Resultat handelnder Subjekte, in die sich die Individuen selbst einbringen. [ 37 ] Wenn Menschen schließlich begriffen, daß sie ihre Geschichte immer schon selbst machten, so könnte es ihnen allerdings, in ihrer Eigenschaft als Handelnde, nur in Rückerkennung bewußt werden. Das Material der Geschichte entstammt lebensgeschichtlichen Erinnerungen, schriftlichen Überlieferungen und nachgebliebenen Werken menschlicher Arbeit. Die sich im Rahmen menschlicher Geschichte ausbildende Identität der Einzelnen wird durch eigene Kraft erworben und ist nicht länger zuschreibbar [ 38 ]. Sie gestattet eine "Identifikation mit dem Vertrauten". [ 39 ]

Die Kenntnis der Geschichte trägt insofern zur Emanzipation bei, als Menschen versuchten, ihre heutige Position im historischen Prozeß zu finden und aus ihr heraus ihre Vorstellungen über gesellschaftliche Möglichkeiten zu entwickeln, wie auch ihre Defizite daran zu messen. [ 40 ] Ein Mythos ist dort zu orten - die schulische Sozialisation vermittelt diesen ja gerne [ 41 ] -, wo Geschichte als letzter Grund für alle Erscheinungen menschlichen Daseins herhalten soll. Es mag in früheren Menschheitsphasen mythische Weltbilder gegeben haben, die in praktischer Hinsicht wirkten und damit das rationale Erklärungsmuster zum damaligen Weltgeschehen geliefert haben. Doch heute entziehen sich diese modernen Rationalitätskriterien. Dennoch sollten wir vorsichtig sein: eine mythisch bestimmte Heilsgeschichte kann als eingesetzte Ideologie auch heute noch politisches Handeln auslösen oder bestimmte Zielsetzungen herrschender Politik sanktionieren. Vor allem totalitäre Regimes nutzten dieses Vehikel gerne für ihre zweifelhaften Ziele. [ 42 ]

Die Menschheit steckt heute in einer Phase evolutionärer Beschleunigung, in der nicht abzusehen ist, wie sich die die Moderne bestimmenden wirtschaftlichen und technischen Innovationen im privaten Produktionsbereich sowie in den staatlichen Bürokratien hinsichtlich der administrativen Differenzierung und Regelungsdichte auswirken [ 43 ] und wie diese auf die reproduktionssichernden Sozialisationsbereiche zurückschlagen. Angesichts der nicht bewußt gewollten Eigendynamik, die dem kapitalistischen System innewohnt und die sich jeder Kontrolle und Steuerung entzieht, ist zu fragen, wie sich das durch die "Entfremdung gebrochene Wesen des Menschen" - vor dem Hintergrund gegenseitiger Bedrohung und des "jederzeit möglichen Losschlagens zweier waffenstarrender atomarer Blöcke" - eine Grundlage verschaffen kann, die nicht Knechtung, nicht Vernichtung, nicht Zentrum, sondern Freiheit, Selbstverwirklichung, Peripherie bzw. Region heißt. Es müßten dazu von der bisherigen Praxis bürgerlichen Lebens grundverschiedene Lösungen entworfen werden, die sich aber auch von dem im autoritären Sozialismus absetzen. [ 44 ]

Die rationale Durchdringung und die wachsende technische Verfügung über die entmythologisierte äußere Natur werden am Ende mit der unterdrückten inneren Natur der Menschen bezahlt. Die Subjekte verkümmern. Eine "wildgewordene Systemtheorie" jedoch, die die Strukturen der Lebenswelt nicht angemessen berücksichtigt, wie Habermas meint, wird selber Opfer der Dialektik der Steigerung von Systemkomplexität. Im gleichen Maße, wie ihre Imperative das Leben einer Gesellschaft evolutionär entfaltet, tötet sie es auch wieder ab. [ 45 ]

Die Weltgesellschaft als Gesamtsystem ist für sich allein betrachtet nicht wahrheitsfähig. Sie bleibt an ihre Gesamtumwelt, an ihre urwüchsige Natur und an die in ihrer Lebenswelt eingebetteten Menschen gebunden. Einen Sinn oder eine Absicht kann von niemand in ihr hinterfragt werden. Die Systemtheorie ist zwar geeignet, vor allem wenn sie nicht auf einem geschlossenen, sondern offenen System beruht, für uns wichtige Erklärungsmuster zu liefern oder gesellschaftliche Widersprüche erkennbar werden zu lassen. Sie ist aber nicht in der Lage, aufgeworfenen Probleme oder durch sie verursachte Krisen aus ihr selbst heraus zu lösen. Vielmehr ist von einer Weltoffenheit auszugehen, die mehrere Möglichkeiten zuläßt.

Anmerkungen

[ 1 ]
Vgl. Ulrich Menzel, Der Differenzierungsprozeß in der Dritten Welt seine Konsequenzen für den Nord-Süd-Konflikt und die Entwicklungstheorie, in: Politische Vierteljahresschrift, 24. Jg. (1983), S. 31

[ 2 ]
Vgl. ebd., S. 32 f.

[ 3 ]
Vgl. ebd., S. 35

[ 4 ]
Vgl. Ulrich Menzel, S. 36

[ 5 ]
Vgl. ebd., S. 40

[ 6 ]
Vgl. ebd., S. 42

[ 7 ]
Vgl. ebd.

[ 8 ]
Vgl. ebd., S. 43

[ 9 ]
Vgl. Klaus-Jürgen Gantzel, Einführendes Vorwort, in: ders. (Hrsg.), Herrschaft und Befreiung in der Weltgesellschaft, Ffm/NY 1975, S. 12

[ 10 ]
Vgl. ebd., S. 10

[ 11 ]
Vgl. ebd., S. 11

[ 12 ]
Vgl. ebd., S. 12

[ 13 ]
Vgl. Rolf Richard Grauhan, Einführung: Lokale Politikforschung, in: ders. (Hrsg.), Lokale Politikforschung 1, Ffm/NY 1975, S. 12

[ 14 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Über das Subjekt der Geschichte, in: ders., Kultur und Kritik, Ffm 1973, S. 394

[ 15 ]
Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, in: ders., Soziologische Aufklärung 2, Opladen 1975, S. 58 f.

[ 16 ]
Ebd., S. 59

[ 17 ]
Vgl. ebd.

[ 18 ]
Vgl. ebd., S. 57

[ 19 ]
Ebd., S. 54

[ 20 ]
Vgl. ebd., S. 57

[ 21 ]
Vgl. ebd., S. 52

[ 22 ]
Vgl. ebd., S. 57

[ 23 ]
Vgl. ebd.

[ 24 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Über das Subjekt..., S. 394

[ 25 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Können komplexe..., S. 114

[ 26 ]
Vgl. Hugo C. F. Mansilla, S. 107

[ 27 ]
Vgl. ebd.

[ 28 ]
Vgl. ebd., S. 106 f.

[ 29 ]
Hans Friedrich Schütt, Landesgeschichte im ideologischen Wandel, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig Holsteinische Geschichte, Bd. 108 (1983), S. 42

[ 30 ]
Interessant diese Stelle: "Wenn im Wahnsinn das zentrale, schon in Mythos, Religion und Philosophie bestimmende Motiv der Vernunft auf pervertierte Weise fortlebt: nämlich in der Mannigfaltigkeit der gestaltlosen Erscheinungen die Einheit und den Zusammenhang einer Welt zu stiften; dann sind die Wissenschaften, die in einer prinzipiell weltlosen Flut der Erscheinungen empirisch Gleichförmiges dem Zufall entringen, von Wahnsinn positivistisch gereinigt. Sie muß regeln, aber keinen Wahnsinn mehr; und der Wahnsinn muß der Regelung deshalb entbehren. Vernunft wäre nur in beiden zumal, so aber fällt sie mitten hindurch. Entsprechend ist auch die Gefahr einer ausschließlich technischen Zivilisation, die des Zusammenhangs der Theorie mit Praxis enträt, deutlich zu fassen: ihr droht die Spaltung des Bewußtseins und die Aufspaltung der Menschen in zwei Klassen in Sozialingenieure und Insassen geschlossener Anstalten." Jürgen Habermas, Dogmatismus, Vernunft und Entscheidung, in ders., Theorie u. Praxis, Ffm 1974, S. 333 f.

[ 31 ]
Vgl. Hans Friedrich Schütt, S. 37

[ 32 ]
Vgl. Rainer S. Elkar, Regionalbewußtsein..., S. 73

[ 33 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Zwischen Philosophie und Wissenschaft: Marxismus als Kritik, in: ders., Theorie und Praxis, Ffm 1974, S. 275 f.

[ 34 ]
Theodor W. Adorno, Fortschritt, in: ders., Stichworte. Kritische Modelle 2, Ffm 1978, S. 37

[ 35 ]
Theodor W. Adorno, Auf die Frage: Was ist deutsch, in: ebd., S. 103

[ 36 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Zwischen Philosophie..., S. 276

[ 37 ]
Vgl. Rainer S. Elkar, Regionalbewußtsein..., S. 66

[ 38 ]
Vgl. Dieter Löcherbach, Nation und kollektive Identität, in: Politische Vierteljahresschrift, 24. Jg. (1983), H. 2, S. 195

[ 39 ]
Theodor W. Adorno, Auf die Frage..., S. 107

[ 40 ]
Vgl. Rainer S. Elkar, Regionalbewußtsein..., S. 71

[ 41 ]
Jochen Blaschke, S. 170

[ 42 ]
Vgl. Rainer S. Elkar, Regionalbewußtsein..., S. 72

[ 43 ]
Vgl. ebd., S. 55

[ 44 ]
Vgl. Peter Jirak, Zukunft als Provinz, in: Frankfurter Hefte, (1978), H. 4. S. 108

[ 45 ]
Vgl. Jürgen Habermas, Können komplexe..., S. 115


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