Stuckdecke freigelegt im Husumer Herrenhaus
Augusta von Dänemark hatte einzigartige Stuckierung des Saales prächtig ausgestattet
Als Bernd Biermann den linken Teil des Herrenhauses am Markt, gleich neben dem Rathaus erwarb, ahnte er noch nicht, daß sich eine Kostbarkeit unter der Renaissance-Decke verbarg. Der neue restaurationserfahrene Hausherr wollte mit seiner neuerworbenen Immobilie behutsam umgehen und legte zuerst die Decke des Saales frei, die bis ins Nachbargebäude reichte. Entstanden ist die Stuckdecke, als die Herzogin-Witwe Augusta im Jahr 1624 das Gebäude kaufte. Es ist eines der ältesten Häuser der Stadt Husum.
Urkundlich erstmals erwähnt wird das Haus 1441 im Rentebuch von St. Marien unter der Bezeichnung "unser Heren Hus", was belegt, daß es damals Adolf VIII., Herzog zu Schleswig und Grafen zu Holstein aus dem Schauenburger Hause (reg. 1427-1459), dem "Herren" von Husum, gehörte. Fuglsang meint, daß bei seinen Besuchen in Husum, auch zur Schlichtung von Streitigkeiten der Utlandfriesen, er und sein Gefolge hier gewohnt haben. Das Haus, das vielfach bauliche Veränderungen erfahren hat, ist im Kern eines der ältesten Gebäude Husums. Denn Straßenfront und Rückgiebel zeigen Reste gotischer Blendengliederung. Aber auch eine urkundlichen Nennung eines Hausvogts 1426 auf die Existenz des Hauses und Nutzung als dessen Amtssitz. Ob Hans Harstede als Hausvogt 1431 hier seinen Amtssitz gehabt haben soll, läßt sich auch nicht mit Sicherheit sagen.
Sogenannte "Rebellenköpfe" zieren die Front der beiden nebeneinander liegenden Gebäude. Die Sandsteinfiguren in den beiden Häusern Markt 1 und Markt stellen der Sage nach die angeblich 1472 auf dem Klingenberg hingerichteten Husumer Rebellen dar. Sie hatten sich an dem Aufstand des Grafen Gerhard von Oldenburg gegen seinen Bruder, den Dänenkönig Christian I beteiligt. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen und zahlreiche Häuser der Stadt bis ins 19. Jahrhundert mir der Rebellensteuer belegt.
Allerdings haben die Sandsteinköpfe nichts mit dem Rebellenaufstand im Jahre 1472 zu tun. Nachdem Steding die beiden Häuser erwarb, ließ er sie gründlich umbauen. Dafür verwendete er als Maueranker die in der Front zu sehenden Figuren, die nicht nur menschliche Köpfe darstellten, sondern auch tierähnliche Figurenornamente. Die Figuren könnten möglicherweise aus einem Abbruch des adeligen Gutes Bramstedt stammen, der ebenfalls dem Fürstlichen Landrat Gerhard Steding gehörte, der von 1586 bis 1592 in Husum vom Herzog als Ratspräsident eingesetzt wurde. Gerhard Steding entstammte aus bremischem Adel und war als Vizekanzler für Holstein-Gottorf tätig.
In den Besitz des adligen Gutes Bramstedt war Steding 1575 durch eine Heirat mit Elisabeth Fuchs gekommen. Sie war die Tochter des Vorbesitzers Caspar Fuchs, der seit 1546 dieses Gut besaß und in königlichen Diensten von Friedrich I. und Christian III. stand. Nach Gerhard Stedings Tod im Jahre 1604, ging der nach ihm benannte "Stedingshof" in Bramstedt in den Besitz der Witwe Elisabeth über. Im Jahre 1619 wurde Arend Steding als Besitzer genannt, der es im Jahre 1633 an den dänischen König Christian IV. verkaufte.
Neben der Eingangstreppe befinden sich zwei mit Inschriften versehene Sandsteinpfosten, Beischlagwangen, die vom Haus Markt 19 stammen, der einstigen Centralhalle, die 1929 abgerissen wurde. Auf den beiden Pfosten sind die Söhne Simon und Peter des Kaufmanns, Brauer und Reeder Peter Petersen verewigt.
Auch die nicht mehr vorhandene aber aufbewahrte Rokokotür entstammte einem anderen Gebäude, und zwar dem heutigen Markt 8, dem Schuhhaus Mader-Gebäude. Sie mußte 1952 einer "modernen" gläsernen Ladenfront weichen. Die auf das Alter von 200 bis 250 Jahre geschätzte Tür, konnte Walter Fuglsang, der damalige Besitzer des Herrenhauses für sich erwerben.
1529-1544 besaß der Fürstl. Baumeister Marten Bussert das Haus. Geboren vor 1500, gestorben 1553 in Kopenhagen, war er von Beruf Bildhauer und königlicher Baumeister unter den dänischen Königen Friedrich I und Christian III. Er stand damals in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts für die monumentalen Aufgaben im dänischen Königreich zur Verfügung. Bussarts Name, der auch als Bossart, Bußhart oder als Meister Morten Stenhugger vorkommt, läßt auf eine niederdeutsche Abstammung schließen. Auch Husum ist als Geburtsort vermutet worden. Bussart wird als Schöpfer des Herrenhaustyps der Renaissance angesehen. Bussart war in erster Linie als Bildhauer größerer Grabdenkmäler bekannt. Wie sein Stil vermuten läßt, hatte er seine Kunst in Süddeutschland erlernt und war später Leiter einer bedeutenden Bildhauerwerkstatt in Kopenhagen gewesen.
Es wird vermutet, daß Marten Bussart auch das Herrenhaus als ältesten Haus in Husum, darauf deuten die Stilelemente des Staffelgiebels hin, nochmals im Auftrag Herzog Friedrichs umgebaut hat. Und als Herzog Friedrich 1523 zum dänischen König erhoben wurde, benötigte dieser das Haus für Wohnzwecke nicht mehr. Daher wurde es Bussart übereignet, wahrscheinlich in Erbpacht mit der Option, daß es bei einem Verkauf an die Herrschaft zurückfallen solle.
Möglicherweise war vorher auch der Haupteingang zum Schloßgang hin gewendet. Wir müssen uns den Straßenzug damals anders vorstellen als heute. Dieser begann westlich des Gasthauses "Zum Engel", dem Vorgänger des heutigen Rathauses an gleicher Stelle, und mündete am heutigen Quickmarkt in die Neustadt ein.
Als Gerhard Steding das Herrenhaus im Jahre 1587 in Husum von der Herzoginwitwe Elisabeth erworben hatte, bestätigte ihm Herzog Johann Adolf am 21. Januar 1591 vom Kieler Schloß aus, daß er von der Kaufsumme von 3000 Mark Lübsch nur 800 Mark zu zahlen bräuchte. Einerseits war ihm ja durch Herzog Friedrich II. 1000 Mark Lübsch geschenkt worden, andererseits sei das "Haus ja wegen niedergebrochener Ställe, verfallener Böden, Dächer und Stackwerks nach vorgängiger Besichtigung geringer geschätzt" worden.
In einer weiteren Urkunde vom 19. Juni 1593 bestätigte Herzog Johann Adolf für den Neubau eines Rathauses die Schenkung des Gasthauses "Zum Engel" an die Bürgerschaft Husums. Er machte jedoch zur Auflage, daß ein Weg vom Schloß zum Markt so "groß und weit" gelassen werden sollte, daß er mit Pferd und Wagen zu passieren sei. In der Urkunde wird ebenfalls erwähnt, daß Gerhard Steding, der vormalige Ratspräsident von Husum, das Haus Zum Engels hatte abbrechen lassen und dabei sich Holz, Kalk und Steine aus diesem Abbruch angeeignete und die er wieder zurückbringen solle.
Steding blieb nach Absetzung als Ratspräsident in Husum auch weiterhin in den Diensten der Herzöge. Herzog Adolf, der 1586 Steding als Ratspräsident in Husum eingesetzt hatte, starb noch im selben Jahr am 6. Oktober 1586 auf Gottorf. In der Regierung folgte ihm sein ältester Sohn Friedrich II., 20 Jahre alt, der als ein frommer und gelehrter Fürst galt, milde und freundlich, zumal gegen die Armen, aber er starb schon am 15. Juni 1587. Ihm folgte in der Regierung sein jüngerer Bruder Philipp, der aber auch bereits im Jahre 1590 starb. Sodann trat in die Regierung sein jüngerer fünfzehnjähriger Bruder Johann Adolf, bis dahin Administrator des Erzbisthums Bremen war. Diese Stelle ließ er später an seinen jüngeren Bruder Johann Friedrich übergehen. Da er noch unmündig war, erhielt seine Mutter, die Herzoginwitwe Christine, eine hessische Prinzessin, die Vormundschaft. Und innerhalb dieser reifte ihr der Plan, eine Verschmelzung Dithmarschens mit Eiderstedt anzubahnen.
Der Plan war, daß der bei Hofe beliebte Gerhard Steding aus Bremen in die Landvogtei eingesetzt werden sollte und damit das Recht beseitigen helfen, daß nur ein geborener Dithmarscher diese Stelle bekleiden dürfe. Am 2. März 1592 erschien in Lunden nebst Steding auch Caspar Hoyer, der Staller von Eiderstedt. Der berief eine Zahl der angesehendsten Männer Dithmarschens und verlangte von ihnen, daß Steding als Landvogt anerkannt zu werden solle. Man hatte sich jedoch verrechnet. Diese zogen in Lunden die Sache wohl in Betracht, verweigerten aber eine einseitige Schilderhebung und beschieden diese vor die große Versammlung der gesamten Dithmarscher Gevollmächtigten in Heide. Hier wurde nach reiflicher Erwägung das Ansinnen abgelehnt mit der Bemerkung, daß der Herzog Johann Adolf wohl nicht die von seinem Vater beschworenen Rechte werde brechen wollen.
Fünf Jahre später im Jahre 1597 wurde durch einen Putsch der Versuch wiederholt, dem Lande Gerhard Steding als Landvogt Dithmarschens aufzudringen. Diesmal wurde Hennstedt als Ort ausersehen. Die Versammlung mit 52 Personen war ihm günstiger gestimmt. Doch ihre Pläne wurden ruchbar. Da Pastor Moller zur Stedings Bewirtung Wein holen ließ (das Getränk der Dithmarscher war Bier), verriet dieser Vorgang die Anwesenheit eines hochgestellten Fremden. Steding wurde erkannt, und als das Gerücht seiner Anwesenheit von Mund zu Mund lief, versammelten sich sofort eine Menge von Gegnern ans den umliegenden Kirchspielen, die durch "Geschrei und Drohungen die Machinationen der Verschwörer im Keim erstickten".
In den "Annalen der Weltgeschichte" trat Steding noch einmal auf und zwar auf dem schwedischen Reichstag zu Linköping 1600, an dem König Sigismund III. von Polen abgesetzt wurde. Der schwedische König Karl IX, der seit 1592 mit Christine von Schleswig-Holstein-Gottorf verheiratet war und wo bei dieser Hochzeitsfeier 22. August 1592 im Schloß von Nyköping in Schweden auch Steding anwesend war, hatte zu diesem Anlaß seinen Schwager, Herzog Johann Adolf von Gottorf gebeten, Clement Gaderdorp und Gerhard Steding als Beobachter zu entsenden.
Steding, der bereits am 18. April 1586 als Canonicus der hohen Stiftskirche zu Hamburg bezeugt war, starb in seiner Eigenschaft als Hamburger Domherr am 3. September 1604 in Bramstedt. Nach seinem Tode erbte seine Witwe Elisabeth das Husumer Herrenhaus und führte es weiter. Die Stedingschen Erben, Witwe, Kinder und Enkel verkauften es laut Kaufkontrakt vom 1. Mai 1624, der sich im Privatbesitz der Familie Fuglsang-Petersens befand oder sich heute noch befindet, weiter an die Herzoginwitwe Auguste für 6000 Mark Lübsch mit Kellern, Garten und den zugehörigen Buden und Wohnungen. Das Haus wurde als "Zubehör des Husumer Schlosses" wieder in herzoglichen Besitz geführt. Augusta von Dänemark stattete das Herrenhaus prächtig aus und von ihr stammte die einzigartige Stuckierung des Saales.
Nach dem Tod Augustas 1639 ging das Haus in den Besitz des Herzogs Friedrich III. über. Nach seinem Tod 1659 wurde seine Frau, die Herzoginwitwe Maria Elisabeth Eigentümerin. Diese verkaufte es 1681 weiter an ihrem Korn- und Küchenschreiber, Lorenz Clausen. Nach mehreren Besitzwechseln verkaufte 1860 der Bierbrauer Wulff die linke Haushälfte des Herrenhauses (Markt 1) an den Uhrmachermeister Theodor Lemke, der es wiederum 1880 an seinen langjährigen Mitarbeiter, den Uhrmachermeister Ernst Lüttgens veräußerte. Bis Anfang 2013 im Besitz der Familie Lüttgens, erwarb Bernd Biermann das Haus von dessen Erben. Er begann sogleich mit der inzwischen abgeschlossenen aufwendigen Restaurierung der Innenräume und der Stuckdecke.
Hans-Jürgen Hansen
Quellen:
U. A. Christiansen
Klaus Fuglsang
Chronologie Markt 1
Rüdiger Artikus, Münze
Schmidt-Petersen, Beitrag zur Geschichte Husums
Erstellt am 7. 12. 2015, geändert und ergänzt am 5. 7. 2017
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